Geschichte

Wiederhall

von Martin Teuschel

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Widerhall

Neulich in der Ewigkeit beschenkte der Regen die, die Tropfenklopfen auf dem Regenschirm liebten, während über der Straßenmitte die hohe U-Bahntrasse die, die den Regen weniger liebten, schützte.
Darüber lächelte Frau Yoshimoto und fütterte ihre Grille. Die würde sich bald mit einem Lied bedanken, wußte die alte Japanerin.

Claire sah durch das U-Bahnfenster. Wasser strömte daran hinunter. Unten auf der Strasse liefen Menschen mit bunten Schirmen. Claire dachte zufrieden: „Wie Blumen“. Sie mochte den Gedanken. Sonst hatte sie am Kottbusser Tor meist schlechte Gedanken. Die Französin musste hier umsteigen. Einige Monate schon. Sie wünschte das Ende der Bauarbeiten. Das Umsteigen war unbequem und, das fand sie viel schlimmer, sie ekelte sich vor dieser Station. Da waren immer Drogenabhängige und Obdachlose. Das machte ihr Angst. Immerhin musste sie nicht mehr durch den Tunnel gehen, um den Bus zu erreichen. Das war anfangs anders. Bis Silke ihr von der Treppe am Fahrbahnende erzählt hatte. Die nahm Claire jetzt immer. Manchmal stank es da nach Urin. Aber die Treppe war besser als der Tunnel.

Jim mied den Regen und blieb unter der U-Bahn. Weil der Tag so richtig kalt war setzte er sich auf einen roten Ford. Der war gerade angekommen und der abkühlende Motor wärmte Jims Gesäß. Jim vergrub seine Hände tief in seine gefütterte Jeansjacke. Er beugte Schultern und Kopf vor und streckte die gestiefelten Beine aus. Um auszusehen wie ein afroamerikanischer James Dean hatte Jim sogar angefangen zu rauchen. Die Zigarrette klebte zwischen seinen Lippen und die Mühe, seiner aufwendigen Frisur, offenbarte ihren Wert: Claire erkannte Jim sofort. Sie war überrascht und scherte aus der buswärtigen Menge aus. Einige murrten, doch keiner fiel. Claire ging zu Jim und begrüßte ihn. Er sah sie fragend an. Er hörte: „USA... Massachusetts... vor drei Jahren. Das warst doch du?“ Jim erhellte so deutlich, das Claire ihn herzlich umarmte. Jim erzählte, das erst kürzlich nach Berlin gezogen war: „Ich wohne in Charlottenburg“, sagte er': „Es ist schrecklich langweilig.“ Claire nickte mitfühlend. „Hier ist es besser. Ich werde demnächst da wohnen.“, sagte Jim und zeigte auf ein Hochhaus. Claire rümpfte ihre Nase: „Es ist sehr laut hier.“ „Nein, das ist okay“, antwortet Jim und setzte fort: „weißt Du ich habe letztes Jahr in Tokio gewohnt. Das war laut. Hier kann man sogar die Grillen hören.“ Er zeigte mit dem Finger auf, schloss die Augen und senkte aufmerksam den Kopf. Er lauschte. Claire horchte mit und staunte.
Auch Frau Yoshimoto entzückte über des Haustieres Lied.


von Martin Teuschel

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