|
Der Flug der Gouldamadine
für M
Neulich in der Ewigkeit erwachte Danny an einem Wintertag. In seinem Ausweis
stand Daniel. Danny nenne ich ihn, weil ihn so seine Freunde rufen. Danny
öffnete seine Augen. Das helle blaue Funkeln fehlte. Das lag an den schweren
Gardinen. Sie hielten das Licht fern, damit die Dunkelheit ihr Wesen entfalten
konnte. Die Uhrzeit war Danny unbekannt. Er hatte keinen Termin. Es war Sonntag.
Da mied er jede Pflicht. Danny fühlte sich gut. Er erinnerte sich an den
Discoschnee. „So einen Schnee habe ich noch nie gesehen. Hatte es den wirklich
gegeben? “, fragte er sich. Verträumt ging er in das Gestrige:
Bevor er hinausgehen wollte, hatte er kurz gezögert. Draussen hatte Kälte
gedroht und in seiner Wohnung Wärme liebkost. Er hatte eine Verabredung gehabt
und der Gedanke, daß er einen Samstag allein zu Hause verbringen würde, hatte
ihn in die Kälte getrieben. Draußen hatte er gefroren. Leises Knistern auf dem
Regenschirm hatte ihn überrascht. Fremdartig hatte es ihn an feine
elektrostatische Entladungen erinnert. „Die Nacht hat ihr eigenes Rauschen
mitgebracht.“, hatte er bemerkt und war aus seinem Gedankenfluss herausgerissen
worden. Auf seinem Weg durch die verschneite Nacht waren ihm nur wenige
begegnet. Die meisten waren Paare gewesen. Dannys Schritte hatte niemand
begleitet. Vielleicht erinnerte er sich deshalb nicht an ihren Klang. Hatten sie
geknirscht? Oder gekracht? Hatten sie dumpf oder hell gestapft? Er wußte, daß
Schneetritte tönen. Danny mühte seine Erinnerung. Erfolglos. Er gab auf und
seine Gedanken trieben wieder zur Nacht. Zu den Paaren. Zum Glück hatte der Pole
sich nicht allein gefühlt. Er war auf dem Weg zur Prinzessin gewesen. Sie war
nicht seine Prinzessin gewesen. Aber eine Prinzessin war sie. Des jungen Herren
Vorhabens hatte darin gelegen, sie in den nächtlichen Tanz zu führen. Nicht
mehr. Nicht weniger. Auf der Modersohnbrücke hatte er gehalten. Er hatte den
Anblick des verschneiten Berlins genossen. Mindestens eine Million Mal war bei
dieser Aussicht des Augenblicks Schönheit bedacht worden. Zwischen Schneeböen
und dichten Wolken hatten die Lichter des Funkturms am Alexanderplatz die
kugelförmige Silhouette gezeichnet. Grosse Reklametafeln waren grau verwischt.
Eine S-Bahn hatte wurmig das Schneegestöber durchleuchtet. Danach hatte der
zugereiste Berliner sich abgewendet und seine Augen waren geöffnet worden. Sein
Staunen hatte sein Kinn gesenkt: Die Strasse war zu einem Diamantenfeld
geworden. Danny hatte Schnee zum ersten Mal so glitzern gesehen. Immer noch
hatten Schneepartikel eisig auf seinem Regenschirm geknistert . Danny war Zeuge
eines unglaublichen Naturschauspiels geworden. Silbern hatte Glitter sein Berlin
bedeckt. Seine Stadt. Seine Strasse, seine Bäume, sein Brückengeländer und
seinen Schirm. Berlin hatte sich in einen verschneiten Traum verwandelt und er
hatte eine Prinzessin abzuholen. Da hatte Danny sich gewünscht, eine Kutsche zu
haben. Doch die Schönheit huldigte dem Märchen nicht. „Immerhin“, hatte er
gedacht, „habe ich eine Zauberstadt als Geschenk. Keinen roten, nein, viel
spektakulärer., einen Eisteppich bringe ich ihr. Das wird ihr gefallen!“
Lächelnd platzierte er diese Erinnerung in sein dunkles Zimmer. Sein Schwelgen
an eine glänzend durchtanzte Nacht stimmte ihn behutsam auf die Zukunft ein:
„Und ich habe darüber nachgedacht zu Hause zu bleiben.“ Danny schüttelte gut
gelaunt den Kopf.
Der Pole zog die schweren Gardinen zur Seite, liess das Licht herein und öffnete
die Fenster. Luft folgte. Kalte Frische tauschte sich mit seinem Nachtdunst aus.
Dieser verdampfte in der späten, sonntäglichen Nachmittagsstunde.
Sechzehn:Siebenundvierzig las Danny auf seiner Uhr. Auf die Minuten legte der
junge Mann wert. „Die Minuten, darfst Du nie vergessen“, hatte ihm früher seine
Schwester gesagt. Danny hatte eine digitale Funkuhr. Die zeigte auch die
Sekunden.
Noch während Wasser zur Kanalisation rauschte, begann Danny mit seiner
Morgentoilette. Er wusch sich die Hände, formte sie danach zu einer Schale und
fing kaltes Wasser. Dreimal spülte er sein Gesicht, bevor er seinen bläulich
schimmernden Bartschatten prüfte. Der kratzte unter dem wischenden Reiben seiner
Handfläche. Mehr nicht. Danny versagte sich die Rasur. „Es ist Sonntag.“,
wiederholte er innerlich und lächelte gut gelaunt in den Spiegel. Auch der Kamm
blieb unberührt. Die kurze Bewegung seiner Hand, deren Finger gespreizt waren,
kämmte Wasser in sein mittellanges Haar. Einige Haare legten sich. Die meisten
nicht. Danny genügte das Ergebnis. Dafür reinigte er seine Zähne sehr genau: Die
waren ihm so wichtig wie Minuten.
Bevor er sein ärmelloses Feinrippunterhemd überstreifte spielten Trizeps und
Bipzeps vor dem Spiegel Theater. „Ja, ich bin gut in Form“, bestätigte sich der
Blonde selbstzufrieden und fand die weissen Träger auf seinen Schultern sehr
sexy. Er streifte festen Jeansstoff von den Füssen über seine prachtvolle
Ausstattung zur Gürtellinie und seine kräftigen, glattrasierten Beine
verschwanden in der Hose. Knopfweise schloss Danny seine Männlichkeit ein. Erst
als der Gürtel richtig saß, schob sein fester Handgriff zwischen den Beinen
alles zurecht.
Danny ging in die Küche und setzte Tee auf. Irritiert, doch unerschrocken hörte
er aufgeregtes Flattern. Er sah hin und wunderte sich über den Vogel. Der
rettete sich auf die Gardinenstange. Leise und unaufhörlich fiepte der Vogel
sein schleifendes „Zitt-Zitt.“. Größe und Körperbau erinnerten an einen Spatz.
Sein Kleid war bunter: Das Tier hatte einen schwarzen Kopf, roten Schnabel,
grüne Flügel, purpurne Brust, gelben Körper und einen schmalen, blauen Kragen.
Kurz zuvor hatte Danny einen solchen Vogel in einer Dokumentation über bedrohte
Tiere gesehen. In Australien sollte das Tier mit tausend Freunden sein. Nicht im
Berliner Winter. Was machte das Tier hier? „Wahrscheinlich einen Ausflug.“,
dachte sich Danny und sponn die Idee weiter: „Doch warum in meine Wohnung? Wir
sind in Berlin. Da gibt es das Brandenburger Tor, den Reichstag, die
Nationalgalerie... Und Du? Kommst hier herein.“ Danny sah sich um. Er hatte
nicht einmal aufgeräumt. Danny konnte sich gut an die letzten Tage und Wochen
erinnern: Er hatte keinen Vogel gekauft. „Wozu auch?“,fragte er sich bevor ein
halber Gedanke die Mikrowelle streifte. „Zu klein.“, verwarf der zweite Gedanke
den ersten. Aus seinem Mund kam:„Glück gehabt, Kumpel.“ So weit waren die beiden
schon. Und dabei kannten sie sich kaum. Der Vogel beäugte den Polen
misstrauisch. Das hielt nur kurz und das Misstrauen wurde schnell vom Bauch
besiegt. Das Tier öffnete die Flügel, flog auf den Küchentisch und fing an ihn
zu säubern. Alte Krümel verschwanden in der Gouldamadine. „Zu etwas Nutze bist
Du also auch...“, sagte Danny dem Vogel. Der blickte seitlich auf und
zwitscherte laut: „zrüie-iet“
Danny ging ins Schlafzimmer. Er schloss das Fenster. „Da ist er wohl
reingeflogen.“, dachte er. „Es ist wohl besser, das der gefiederte Freund
bleibt. Sonst holte er sich noch einen Schnupfen. Ausserdem ist es kalt genug“,
fand Danny, überkreuzte seine Arme und wärmte sich mit schnellen Handbewegungen.
Den jungen Polen erfreute die gefiederte Abwechslung. Ihm war nach einem üppigen
Frühstück. Wegen des Alleinseins war das selten. Meist fehlte ihm die Lust zum
Schlemmen. Heute hatte er sie. Er leerte den Kühlschrank: Nussaufstrich,
Kirsch-, Blaubeer- und Orangenmarmelade gesellten sich zu Gorgonzola, türkischem
Ziegenkäse und einem milden, griechischen Schafskäse: Die Auswahl reichte, um
Brote zu belegen. Er stellte das Essen auf den Tisch. Der Vogel untersuchte die
gereichten Nahrungsmittel neugierig. Danny labte sich am Anblick der Schätze,
die sein letzter Einkauf ins Haus getragen hatte. Weintrauben kamen zu
Pfirsichen, eine Banane wartete im Obstkorb und die Erdbeeren, die dem Winter
trotzten, leuchteten unter ihren grünen Hauben kräftig rot.
Aus der Bäckerei hatte er Kuchen und brandenburgischen Brote. Das
Frucht-Nussbrot verströmte seine Süsse, das mit den Kürbis und Sesamkernen war
außen und im Schnitt voller Körner. Als er es in kleine Scheiben teilte,
hoppelte die Gouldamadine aufgeregt von einem Bein auf das andere: „Noch mehr
Krümel“, oder so ähnlich entfleuchte dem animalischen Erbsenhirn. So wirkte das
„Ziit“ auf Danny.
Der Tee war mittlerweile fertig. Danny roch daran. Alles stimmte. Der Zufall,
den eine andere unerzählte Geschichte kennt, hatte den Blonden am Donnerstag in
einen asiatischen Lebensmittelladen, den er viele Jahre nicht mehr besucht
hatte, geführt: Danny hatte kiloweise verpackten, grünen Tee gesucht. Ein
sparsamer Plan hatte dahinter gesteckt. Den Tee hatte die Koreanerin nicht
gehabt. Stattdessen hatte Danny einen kleinen Beutel mit, für ihn zu teuren,
japanischen grünen Tee im Regal gefunden. Seit dem Erdbeerkauf war das Geld
bereits im Fluss gewesen. Danny hatte seiner Vernunft getrotzt: Der Tee war
eingeschweißt gewesen und Danny hatte ohne Geruchsprobe entschieden. Er hatte
das Risiko gewagt und den Tee gekauft. Das Geld war dem Strom gefolgt. „Der
Strom fliesst falsch“, hatte Danny gedacht, während er seinen Einkauf verstaut
hatte.
Jetzt führte das Getränk sein Aroma in die kleine Stubsnase. Danny zeigte sich
angetan und probierte einen Schluck. „Unglaublich!“, überraschte der Geschmack
den Polen. Danny zog seine Augenbrauen hoch und fuhr seine schlanken Finger
nachdenklich durch das Haar. Dort verblieben die Hände und kratzten gerührt. Er
hatte bislang nicht gewusst, das Tee so lecker schmecken konnte. Er fand das
beachtlich. Der Pole kannte viele Tees. Gut, er war kein Experte. Das ein Tee
ihn berührte, blieb dennoch ein Ereignis. So sah Danny das.
Der Tisch war gedeckt. Die Dunkelheit holte den Tag ein. Aus späten
Nachmittagsstunden wurden frühe Abendstunden. Danny begann mit seinem Frühstück.
Er fühlte sich gut. Der Vogel leistete ihm Gesellschaft. Danny strich sein Brot,
und erzählte dem Vogel alte Geschichten. Andere hatten sie schon gehört. Dem
Vogel waren sie neu. Er hörte aufmerksam zu. Danny war als verstünde das Tier.
Mit vollem Mund erzählte er lachend von einem befreundeten Paar und zeigte dabei
mit dem Brotmesser, an dem noch Butterreste klebten, auf den Vogel. Der Vogel
wippte seinen Kopf und wirkte lachend. Dabei zwitscherte er fröhlich. Es waren
schon einige Brotleben in Danny mit weiss glänzenden Zähnen ausgestatteten
Redewerk vergangen, als der Vogel sich auf des Menschen Schulter setzte. Danny
freute sich über des Federviehs Vertrauen.
Die Vogelkrallen kratzten etwas. Das gefiel Danny. Fast als würde eine angenehme
Erinnerung geweckt. Er gab sich hin. Bis eine Eingebung kam: Danny verstand die
Vermeintlichkeit der Erinnerung. Das Kratzen erinnerte ihn nicht. Etwas Neues
passierte den jungen Mann. Als ging es an ihm vorüber. Es streifte ihn. Und
berührte ihn tief. Das Kratzen neben dem feingerippten Trägern seines
Unterhemdes schuf ihr Bild. Sofort wusste er ihren Namen. Er flüsterte:
„Bianca.“
Bianca war weit entfernt. Sie hatte eine andere Zeit und der Winter war fern. In
Australien dämmerte ein hochsommerlicher Sonnenaufgang, als das Flattern eines
Gouldamadinenschwarms sie dem Schlaf entzog. Sie sah auf die Uhr. Bevor Bianca
zum „Verdammt“ ansetzte, spürte sie Fremdartiges auf ihrer Haut und in ihrem
Zimmer. Sie war verwundert. Ihre Augen durchsuchten vergeblich die Leere. Ihre
Nase war erfolgreicher: Sie roch Männerschweiss und grünen Tee. „Mensch, das
riecht verdammt gut“, fuhr über ihre Lippen. Sie staunte: Ihr morgendliches
„Verdammt“ war wohlgemeint gewesen und ihr stimmiges Empfinden schenkte den
Gerüchen Vertrauen. Vielleicht lag das an den Vögeln.
Die Gouldamadinen zwitscherten auf dem Baum vor ihrem Fenster leise. Das schien
normal. Nur eine Feinheit unterschied diesen Moment von anderen: Bianca fühlte
sich von den Sperlingen beachtet. Sonst beachteten die Vögel nur herannahende
Menschen. Bianca lag auf dem Rücken. Ihre lange, schwarzen Haare verteilten sich
auf dem Bett. Sie streichelte ihr Haar und sah durch das Dreieck, das ihr
angewinkelter Arm bildete, seitlich durch das Fenster zu den Vögeln. „Die
beobachten mich“, dachte sie. Obwohl der Gedanke verrückt schien, fühlte sie
sich geborgen. Ein unbekanntes Vertrauen breitete sich in ihr aus. Sie war ganz
ruhig und entspannt. Als wären die Vögel gute Freunde. Sie zwinkerte ihnen zu
und streichelte ihr Haar weiter. Bianca berührte sich sanft. Ihre Fingerspitzen
teilten das Haar in Strähnen. Deren Bewegungen schwächten ab und gelangten zur
Kopfhaut. Bianca schauderte leicht. Tief atmete sie die Morgenluft ein. Der
Wärme trotzte eine milde Frische. Jetzt strich auch ihre andere Hand Haare aus
dem Gesicht. Bianca lächelte den Vögeln zu. Es war früh: Viel zu früh. Sie war
wach und würde nicht mehr einschlafen. Sie hatte Zeit zu vertrödeln. Die würde
sie liebevoll füllen. Ihre Hände fanden zunächst ihr Gesicht, später ihre
Seidenhandschuhe, die in der Schublade darauf warteten Gefühle zu verschenken.
Der weiche Stoff passte. „Einen schönen Anblick habt ihr da“, grinste sie und
lächelte die Vögel an. Deren Köpfe wippten auf und ab. Bianca streichelte sich
mit der Ruhe, die langsam der Erregung wich. Sie liebte die Seide auf ihrer
Haut. Der weiche Stoff berührte ihren Hals und unterhielt eine Weile ihre
Ohrmuscheln, bis das Geräusch Meereswogen glich und ihr Atem zur Brandung
schwoll.
Dannys rechter Arm langte über seinen Bauch zur Brust, seine Hand fingerte unter
den Träger und legte sich über sein Herz. Er spürte das Pochen und gleichzeitig,
während er gedankenverloren seine Hand bewegte, bemerkte er ein viel leiseres
Pochen. „Das ist ihr Herzschlag.“, ging ihm in den Kopf. Die Frau, deren Namen
er kannte, nahte ihm. Ihr Herz klopfte. Immer schneller. Danny wollte sie
stoppen. Er legte seine Hand auf ihre Lippen und Bianca verlangte es danach,
seine Hand zu küssen. Sie schloss ihre Augen und sah den Mann, zu dem der Geruch
so gut passte, den sie beim Erwachen geatmet hatte. Sie hauchte ihm ihr „Hallo
Danny“ zu und küßte seine Finger. Sie nahm seine Hand in ihre Hände. Sie
brauchte beide, um seine zu umschliessen.
Obwohl der Planet Erde sie trennte standen die beiden ungläubig beieinander. Sie
wussten, das sie nicht träumten. Stückweise labten sie sich an des anderen
Anwesenheit und die Zweideutigkeit liess sich nicht mehr verstecken. Die
geschlechtliche Neigung malte eine zweite Farbe: „Ich möchte Dich kennenlernen.
Wir träumen nicht.“, stellte Danny fest. Er war immer sehr direkt. Dabei hielt
er Biancas Hände und sah mit seinem blauen Funkeln tief in ihre Augen. Biancas
Pupillen weiteten sich aufgeregt. Sie drückte Dannys Hände und untersuchte sie.
Sie spürte die Echtheit. Fleisch, Sehnen, Knochen und Haut waren da. Schwere,
Nachgiebigkeit und Wärme sprachen von Wirklichkeit. Dem Traum widersprach die
Erinnerung an ihr frühes Ewachen. Sie wusste, daß sie danach nie wieder
einschlafen konnte. Darauf war Verlass. Sie hatte oft darunter gelitten. Bianca
zitterte. Sie erinnerte sich an die Vertrautheit, die sie beim Erwachen gespürt
hatte. Der Geruch, an den sie sich erinnerte, klebte an seinen Händen.
Vielleicht hatte dieser Mann Recht. Vielleicht war er sogar ihr Seelenfreund.
Der Gedanke gefiel ihr. Der Mann gefiel ihr auch. Es war mehr als sein Geruch.
Aber eben auch sein Geruch. Sie hob eine Hand hoch. Er liess nicht los. Er
tanzte ihre Bewegung mit. Ihre Hand fand seine Schulter. Seine blieb auf ihrer
liegen und sein gebeugter Arm wurde ihre Stütze. Bianca lehnte sich gegen den
Unterarm. Sie blickte zu ihm auf. Das gefiel ihr. Sie mochte grosse Männer. Sie
lehnte ihre Schläfe an sein unrasiertes Kinn. Die richtigen Worte im falschen
Moment. Sie hörte seine E-Mail Adresse. Das enttäuschte sie. Zuviel Nähe, Zu
schnell. Zu konkret. Das ängstigte sie. Sie hatte andere Worte ersehnt.
Andererseits bestätigte es verträumte Zweifel. Sie verwarf das „passend und
unpassend“ ihres inneren Monologs und ertappte sich dabei, das ihre Lippen ihm
gedankenlos nachsprachen. Wieder und wieder. Als legte sie ein Gelübde ab, bei
dem sie fürchtete die Worte je wieder vergessen zu können. Sie unterbrach sich:
„Du riechst wirklich lecker.“ Ihr Kompliment traf. Danny murmelte etwas
Unhörbares zurück und küsste Biancas Hals. Die Australierin lächelte glücklich.
„Deine Haut ist ganz weich.“, stellte sie fest. Sie streichelte seine Muskeln
und rollte sich in seinen Arm. Danny legte seinen zweiten um sie und küsste sie
wieder. Der Kuss begann weich. Seine Lippen berührten ihre und fühlten, ihre
Festigkeit. Er nahm er ihre Oberlippe zwischen seine Lippen und leckte
vorsichtig daran. Bianca erwiderte den Kuss auf ihre Art: Zungen begegneten
sich, Zähne und Zahnfleisch wurden ertastet, Lippen gesaugt, geleckt und
gebissen, damit der Atem aus ihren Nasen floss und beider Ergänzung bezeugte.
Hände streichelten einander, das Stehen wurde zu einem Tanz, den die
Gouldamadinen zwitschernd begleiteten und ein unrasiertes Gesicht rieb sich am
weichen Weibernacken. Die Küsse entfernten sich gelegentlich den Mündern und
erkundeten neue Gebiete. Danny und Bianca rieben sich aneinander und stürzten
gemeinsam in die Tiefe. Dort verharrten sie ungezählte Unendlichkeiten
schweissnass und erschöpft nebeneinander liegend. Stirn an Stirn.
Ihr Treiben löste behagliches Schweigen, das Worte brachen. Feststellungen über
Geschwisterpositionen, Kinderwünsche und sexuelle Fantasien streichelten und
reizten beieinderliegende Grenzen. Letztere luden oft zum Übertritt ein. Sie
fand heraus was er mochte und was nicht. Seine Fragen weckten Hoffnungen und
Wespennester. Entmutigtes Zurückzucken verletzte, doch Neugier und der Fund
eines Seelenpartners, reichten als Proviant für den gemeinsamen Weg. Sie
wanderten durch dunkle Täler und fanden immer wieder neue Blumenwiesen voller
Schmetterlinge, in denen die Sonne nie zu enden drohte, bis Biancas Wecker diese
Wirklichkeit beendete.
Danny war weg. Bianca schloss noch einmal ihre Augen. Sie hoffte ihn
zurückzuholen. Er blieb weg. Sie griff in die Leere, wünschte sich seine Hand zu
spüren, glaubte einen Moment lang daran. Ein letztes Mal. Doch seine Hand war
anders. Sie war Illusion. Die Gouldamadinen flatterten vom Baum. Alles war wie
immer. Bianca setzte sich auf die Bettkante. Sie musste zur Arbeit. Ihr fehlte
jede Energie. Die Austalierin beugte sich vor, füsselte gedankenverloren in ihre
Schuhe und spielte an dem silbernen Leder. Ihr Busen lehnte auf ihren Knien. Sie
beobachtete was ihre Hände taten. „Wie früher“, dachte sie. Ihre Gedanken hingen
ihrer Schulzeit nach. Da hatte sie oft auf dem Bett gesessen, den Boden
beobachtet, die Füsse berührt und nichts über ihr wohin und warum gewusst. Eine
alte Traurigkeit war erwacht. Das Gefühl begreifend lächelte sie. „Nach dem Sex
sind alle Tiere traurig.“, erinnerte sie sich. Sie warf ihr langes Haar zurück
und ging duschen.
„Sie haben Post“, las Danny irgendwann am Anfang.
von Martin Teuschel
27.2.2009 Zum Seitenanfang | |
Deine kleine Schnuppertour- Im Projekt Freiraum kann geduscht werden. Eine Dusche ist abgebildet.
- Abbildung: Sauberkeit in Bad und WC. Ein Desinfektionsspender für die Toilette zum einfachen Gebrauch.
- Glaube, Liebe, Hoffnung: Christliche Werte mit Tusche gezeichnet.
- Sandra meint: "Was du hier schreibst ist Kitsch. Manchmal wünschte ich[..] eine Internetprüfung!" Was meinen andere?
- Streetart zum Berliner Straßenkunstfestival Berlin-Lacht 2007 mit der Kurzgeschichte Straßenkunst
- Berlin: Superstar Boxi spielt mit Styropor Stadtbau. Und baut dabei reichlich Tower
- Comic :Umzug in Berlin. Freunde helfen. Professionell ist das selten. Dafür gibts Renovierungstipps.
- Ein Projekt das Gesundheit, soziale und informelle Gerechtigkeit, religiöse Toleranz und Integration fördern und fordern will, kann zur Verwirklichung seiner Ziele Grundregeln definieren.
- Kurzgeschichte: An der orientalischen Bühne beim Karneval der Kulturen gab es wieder ein tolle Show.
|
|