Geschichten:
Radio TAT:
Serie : (kannst Du auch einzelnd lesen!)
und dazu gibt es viele Bilder |
„Mach ich mit Leichtigkeit… ist `n Klacks“, gab Raymond vollmundig im Plenum von
sich. Sybille dachte sich ihren Teil, behielt ihn für sich und hoffte inständig
auf Raymunds Zuverlässigkeit.
Bisher:
Sandros wurde von Pedros auf das Tor zum Herzen aufmerksam gemacht. Neugierig reiste er
nach Berlin, wo der Portier Michele
übermüdet wachte. Der Spanier
verstand sich gut mit
dem Italiener und wurde Clubmitglied. Frisch
geduscht und nach
traumhaften Schlaf sah er Celine.
Einander sympathisch teilten die beiden Zeit bis Sandros zur
Kuhmaschine mußte. Vor
dem Wiedersehen mit Celine geht Celine zur Malgruppe und wird nackt
porträtiert.
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Er war eine unbekannte Größe und hatte zwei Monate
Zeit. Die Zeit reichte Neuankömmlingen ohne Abschied zu verschwinden. Die Stadt
war schwer und stets bemüht Neuankömmlingen Hindernisse in den Weg zu legen.
„Vielleicht bringt er’s trotzdem“, dachte Sybille und ertappte sich dabei, dass
sie sich zuviel Gedanken machte. Wieder einmal. Raymond hatte die Beine
übereinander geschlagen. Übergroßes braunes Cordjackett, braune Cordhose.
Cordbreite und Farbtöne verhinderten jede Harmonie. Dazu blaue Turnschuhe.
„Unmöglich“, fand Sybille Raymonds Geschmack. Am Ende des Plenums kam das
Unausweichliche. Raymond war darauf vorbereitet. Die anderen waren weg. Nur sie
und er waren verblieben. Sechzig ungleich verteilte Lebensjahre. „Du hast ein
tolles T-Shirt. Selbstgedruckt?“, fragte er. Er hatte Recht. Das T-Shirt war
toll. Sein Spruch wirkte. Sybille freute sich über das Lob und war entwaffnet.
„Ja“, sagte sie. „Machst Du oft solche Drucke?“ Jetzt lief das Gespräch an.
Raymond redete viel, und noch wichtiger: Er kannte die Zeit des Schweigens und
unterbrach den Zauber der Stille nicht. Stattdessen lächelte er und wartete.
Wartete bis sie die Leere annahm und ihr etwas hinzufügte. Auf einmal sah
Raymond auf die Uhr: „Ich muss jetzt los.“, behauptete er. Das war gelogen, doch
er kannte sich aus und wusste , dass Sybilles Interesse geweckt war.
Die beiden gingen ihre Wege. Sybille ging in die Küche, Raymund nach nirgendwo.
Erst zwei Tage später kreuzten sich ihre Wege. Raymond war erfreut, er erwartete
viel von Sybille. Sehr viel. Er war verliebt. Sybille hingegen hatte Raymond
schlicht und einfach vergessen. Während sie über Projekte und die Welt
nachdachte, dann in ihren tiefen traumlosen Schlaf fiel, wälzte Raymond sich im
Bett umher, beklagte die Hitze, seine Einsamkeit in der neuen Stadt und malte
immer wieder Sybille mit seinem Geist. Bisher waren ihm Frauen
Spielgefährtinnen, die Stunden in liebevollen Berührungen versüßten. Aber
diesmal: Sybille , sie war ihm ernst. Gut, sie war deutlich älter als er. Aber
sie hatte ihren Zauber, das gewisse Funkeln in ihren Augen und sie war kreativ.
Die T-Shirts beeindruckten ihn. Jedes Mal, wenn er sie gesehen hatte. Nachts lag
er im Bett und berührte vor seinem inneren Auge ihre Haare. Er strich ihre
Strähnen zur Seite, legte seine Hand auf ihre Wange, griff ihren Nacken zog sie
heran und legte seine Lippen auf ihre. Ihr gefiel das. Als er die Augen wieder
öffnete, sah er sich um. Die Dunkelheit nagte vom gelben Schein der
Straßenlaternen. Er sah sich um, sichtete seine spärlichen Habe und ärgerte sich
über die Unordnung. Er schaltete das Licht an, räumte die Wohnung auf, wollte
Sybilles Wohlgefallen. Wenn sie zu ihm kam. Natürlich würde sie kommen. Wieder
siegte seine Fantasie in romantischen Bildern. Wie sie die Treppe hinaufliefen.
Lachend in seine Wohnung kamen. „Der erste Eindruck zählt“, dachte er. Und
suchte in seinen Kartons, die noch vom Einzug zeugten, Objekte, die sein kahles
Zuhause verschönern könnten. Unruhig baute er das Nest, verschenkte keinen
Gedanken daran, dass Sybille, schon ihr eigenes haben könnte.
Und jetzt: Endlich! Er stand vor ihr. Und sie hatte kein einziges Mal an ihn
gedacht. Keine Sekunde. Das lag außerhalb seiner Vorstellungskraft und Sybille
hatte keine Ahnung davon, wie sehr sie ihn verletzen könnte, wenn sie das
erwähnte. Doch die Unüblichkeit über Sachen zu sprechen, die nicht passiert
waren ließen Raymund das Wort. Sie trug ihre Haare anders als sonst.
Hochgesteckt. Das gefiel ihm. Er sagte es. Sie war geschmeichelt. Kleine
Aufmerksamkeiten gefallen immer. Auch fand Raymund gefallen an ihrem neuen
T-Shirt. Ein Bauarbeiter, der fluchend sein Werk tat. Noch mehr Honig. „Nicht
zuviel“, dachte er, „sonst trieft es.“ Und sie: Wieder bemerkte sie seinen
braunen Cord. Die gleiche Hose, die gleiche Jacke. Sybille mochte keinen Cord.
Cord kannte sie aus ihrer Kindheit. Ihre Großeltern hatten Cord getragen. „Doch
vielleicht…“, verschwand der Hauch eines Gedanken im Nichts. Sie ließ sich in
das Gespräch einwickeln. Die Körpersprachen verrieten mehr über beider Harmonie,
als über Fremdsein. Raymond sprach von Reisen, Wein und Parties, während Sybille
darüber nachdachte, ob dieser Luftikus das Projekt voran brachte oder bremste.
„Wie weit bist Du mit dem Ballon?“, fragte sie. Raymond war verwirrt, ließ es
sich aber nicht anmerken. Er behauptete, er hätte schon mit denen und jenen
gesprochen, für Genaues wäre es aber zu früh. „Kennst du welche die helfen
können?“, fragte er. Die richtige Frage. Sie gefiel Sybille. Offensichtlich
hatte der junge Mann sich ernsthaft mit seiner Aufgabe beschäftigt. Und jetzt
mühte er sich um ein Netzwerk. Das gefiel ihr richtig gut. Sie strahlte. Raymond
wusste nicht warum. Aber er mochte ihr Strahlen. Er fand darin Anmut und etwas
unwirklich Göttliches. Raymond schloss Sybille noch mehr ins Herz, als er es
zuvor getan hatte. Der Wunsch nach Einssein wuchs. Sybille nannte ihn Namen, die
er sofort vergaß. Alle waren ihm fremd. Dafür kannte er einen anderen: „Kommst
Du mit: Auf ein Bier ins Fass?“ Sybille hatte nichts Besseres vor und nahm die
Einladung an.
Im Fass mischten sich Kerzen, Rauch, Stimmengewirr und leise elektronische
Musik. Die Tür öffnete sich, Kälte suchte sich schnell ihren Weg und Rauch wich
in den Regen. Raymond hielt die Tür geöffnet und Sybille ging an ihm vorbei.
Ihre Schultern waren naß vom Regen, dessen kräftige Flatschen wütend auf die
Scheibe schlugen und in Strömen die Sicht nach draußen erschwerten. Sybille
schüttelte sich. Ihr war kalt. Schnell zog sie ihre Jacke aus, hängte sie auf
und ging zur Toilette.
Raymond sah ihr hinterher und sich dann um. Freie Plätze gab es nicht. Der Regen
hatte die Kneipe gefüllt. Also ging er an die Theke und reservierte Sybille
einen Hocker. Auch wenn er nicht gern an der Theke saß. Lieber hätte er ihr
gegenüber gesessen, ihre Hand gehalten und schmachtend Blicke zugeworfen. Aber
der Regen hatte ihm das zunichte gemacht. Er wartete. Nur das blieb ihm. Warten
auf die Geliebte. Diese war verschwunden. Er drehte sich von der Bar weg, sah
auf die Uhr. Dort träufelte die Zeit. Mitten im Fass verrannen Sekunden in einer
riesigen Sanduhr. Sekunden füllten Minutengläser, diese die Fünfer, die wiederum
die Zehner stürzten. Dieses wiederholte sich fünfmal, um als nächstes ein
Stundenglas zu kippen. Bis zum Tagesende fiel unterschiedlich gefärbter Sand
durch Stunden- und Zehnergläser. Ein ausgeklügelte Mechanismus verursachte das
Kippen der Zeitgläser. Unwissende verstanden das System nicht und fragten sie
danach, wurden sie freundlich auf die erklärende Tafel des Erfinders Erwin
Rintsch hingewiesen. Dort erklärte ein Metallbuch die Funktion und warb für das
„Tor zum Herzen“. Raymund hatte es gelesen und viele andere auch. Ein weiteres
Glas kippte. Raymund sah das und für ihn etwas viel wichtigeres. Spiegelnde
Reflexe des hellen Toilettenflurs, gelangen aus der geöffneten Tür. Er wand
seinen Kopf dorthin, sah wonach er sich sehnte und wurde durch eine Frage aus
den Gedanken gerissen. „Was trinkst Du?“, kam von der Theke. Raymund antwortete
nicht. Seine Aufmerksamkeit galt Sybille, die den Raum betrat. Für Raymond umgab
Sybille eine hell leuchtende Aura. Sybille ging zu Raymond. Sie dachte an Anna.
Anna war gerade in Paris und hatte sie gebeten auf Celine aufzupassen. „Wie
lange würde Anna wohl diesmal bleiben?“ Wie immer war es auch diesmal ungewiss.
Das war auch unwichtig. Es war leicht auf Annas Tochter aufzupassen. Celine
machte keine Schwierigkeiten. Sybille kannte Celine gut und vertraute ihr. Blieb
sie länger als erwartet fort meldete sie sich ab. Und mit der Schule nahm sie es
genau. Sie hatte Interesse am Lernen, schrieb gute Noten und machte stets ihre
Hausaufgaben. Und wenn Celine sich nicht meldete, war sie im Tor zum Herzen und
hatte die Zeit vergessen. Das war okay. Für Sybille und Anna. Sybilles Schritte
näherten sich Raymund. „Cord. Cord. Cord. Warum nur Cord?“ Vielleicht sollte sie
ihn darauf ansprechen. Vielleicht… ? „Sybille erschrak innerlich. Warum machte
sie sich solche Gedanken. „War er … Ach, Quatsch“, unterbrach sie den Gedanken.
„Nett, aber unsexy. Und viel zu jung.“, ging ihr durch den Kopf und brachte sie
zum Lächeln, das Raymond freudig aufnahm, während Rita auf die Bestellung
wartete. Und wie Rita wartete „Hey stehste nur rum? W-A-S willst Du?“ Sybille
erreichte die beiden und bestellte „Zwei Pils, bitte.“ Raymond hatte was
verpasst. “Oh Mann!”, fuhr es ihm durch den Kopf. Er wollte doch alles gut
machen.
Rita machte sich mit ihrer Bestellung davon und zog den Zapfhahn. Sybille
grinste. „Eingeschlafen?“ „Nein, äh… ich hab an was anderes gedacht.“ „Du lädst
mich ein und denkst an was anderes? Dankeschön.“ Sybille zog einen Schmollmund.
„Nein, Nein…“, stammelte Raymond weiter „Es war nur…“ „Was?“, unterbrach ihn
Sybille mit spitzer Neugier. Es entstand Stille. Selbst das Lied von Ritas CD
pausierte. Kurz. Dann wummerten Beats weiter. Raymund nutzte den Wechsel zu
einem ablenkenden Scherz, über den beide lachten. Schnell wechselte das Thema,
Worte verkümmerten zu Beiwerken physischer Interaktion, die Seelen näher
brachte. Doch da gab es noch eine andere Seele. Sybille wurde stocksteif. Ihr
wurde kalt: „Anna“, sagte sie. Ihr Telefon klingelte.
von Martin Teuschel Zum Seitenanfang | |
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