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Serie : (kannst Du auch einzelnd lesen!)
und dazu gibt es viele Bilder | Nachdem Sandros sich verabschiedet hatte, ging Celine in die erste Etage und sah
sich die Galerie an. Genauso oft wie sie hier gestaunt hatte, war es ihr Wunsch
gewesen eines Tages hier ihre eigene Ausstellung zu haben.
Bisher:
Sandros wurde von Pedros auf das Tor zum Herzen aufmerksam gemacht. Neugierig reiste er
nach Berlin, wo der Portier Michele
übermüdet wachte. Der Spanier
verstand sich gut mit
dem Italiener und wurde Clubmitglied. Frisch
geduscht und nach
traumhaften Schlaf sah er Celine.
Einander sympathisch teilten die beiden Zeit bis Sandros zur
Kuhmaschine mußte.
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Nur ihre Bilder.
Allein für sich. Im Tor zum Herzen. Doch sie wusste ihre Fähigkeiten noch weit
davon entfernt. Mit diesem Gedanken folgte sie künstlerischen Strichen, die in
der Galerie aushingen. Sie wandelte ungestört von Computernutzern, die der
Mittelraum der Galerie mit Glas einschloss. Am Ende der Bildermeile warteten
schon die anderen Kursteilnehmer. Celine stellte sich mit kurzem Gruß dazu und
folgte dem Gespräch. Doch ihre Gedanken schweiften. Arbeite Sandros beim mit
freiem Oberkörper? Geistig sah sie: Kohlenstaub schwärzte ihn, Schweiß glänzte
und seine kräftigen Arme trieben Kohlen ins lodernde Feuer eines alten
gusseisernen Ofens. Sie stünde dabei, unsichtbar, streichelte ihn. Ihre Finger
auf seinen Muskeln. „Hast du am Samstag Zeit?“, riss sie aus ihren Träumen.
„Samstag? Da hab’ ich noch nichts vor.“ „Gut, jetzt bist Du eingeladen. Ich habe
Geburtstag.“ Sandra war genauso alt wie Celine. Weitere Fragen erübrigten sich.
„Ja, ich komme gerne.“, sagte sie beschwingt zu, ahnungslos von der
Unerfüllbarkeit ihrer Zusage. Die Zukunft hatte anderes mit ihr vor. Um sechs
begann der Kurs. Es bedurfte keine Anweisungen, keine autoritäre Kraft. Schnell
wurden Tische und Stühle geschoben. Die Kursteilnehmer kannten die Grenzen der
Zeit. Immerhin waren ihnen schon zwei Stunden zugesprochen worden. Marcel war
dran. Er entkleidete sich und stellte sich, zum Gefallen der Mädchen, nackt in
die Mitte. Er war dünn, und sein androgynes Wesen war gering bestückt. Sandra
unterdrückte ihr Kichern. Marcel bemerkte es. Die Röte stieg ihm ins Gesicht. Es
war nicht sein erstes Mal und er kannte die Anspielungen. Er wurde gezeichnet.
Von hinten, von vorne, von der rechten und von der Linken. Jedes Detail. Celine
wechselte oft Radierer und Bleistift. Immer wieder ertappte sie sich dabei, die
Konturen zu breit und die Muskeln zu groß werden zu lassen. Ihr fiel es schwer,
Marcels schlanke Grazie zu fassen, während in ihrem Herzen Sandros Bild
flackerte. Nach fünfundvierzig Minuten, trocknete bei vielen schon Farbe. Nicht
bei Celine. Ihr Bild zeigte nur schemenhaften Grafit. Die Bilder wurden zum
Vergleich aufgereiht.
„Vielen Dank“, muhte die Kuh Sandros zu. Sandros war geschafft. Solange war er
ewig nicht mehr Rad gefahren. Er hatte eine Dusche mehr als nötig. Und einen
Snack. Und sein Bett wollte er auch sehen. Sandros schloss die Tür hinter sich
und sah über Berlin. Und auf das kleine Penthouse, in dem er Celine kennen
gelernt hatte. Er dachte an sie. Ahnungslos, dass sie im selben Moment nackt
wurde, ihr Slip fiel zu Boden, ging er die Treppe zum Pförtner hinunter.
Dort erklärte Sandros Dimitri, dass ihm sein Schlafplatz unbekannt war. Der
Pförtner erbat den Clubausweis. Er scannte ihn und las die Daten. Auf seinem
Monitortisch erschien die Hotelsoftware. „Zimmer vierzehn, grünes Bett.“, sagte
er. „Setz Dich kurz. Giselle kommt gleich. Sie bringt Dich hin.“ Sandros nahm
auf dem Sofa Platz. Zum zweiten Mal. Dimitri senkte wieder seinen Kopf und
tippte weiter. Zeit verstrich. Sandros dachte an Celine und Tee. Magenknurren
verriet seine Bedürfnisse.
Celine hatte Marcels Platz eingenommen. An seiner Stelle posierte nun sie. Sie
war geübt und konnte leicht Positionen halten, die anderen schnell unbequem
wurden. Sie kniete sich auf ihr linkes Bein und beugte das rechte nach vorne.
Ihren Oberkörper stützte sie auf gestreckte Arme und den Kopf hob sie leicht an.
Sie verharrte wie ein Läufer vor dem Start. Nur Nacktheit und ihr langes
geöffnetes Haar unterschied sie von echten Athleten. Ihre Haut bezeugte ihre
Jugend, ihre Brüste hingen, anders als im Stand, leicht gespannt und ihre
rosigen Knospen gehorchten der Gravitation. Einige junge Zeichner waren über die
Maße ihres künstlerischen Interesses erfreut über den Modellwechsel. Von hinten
genoss Marcel, zwei einladende Kugeln, die am Horizont ein Tal, das auf die zart
bewachsene Dunkelheit zulief, trennte. Mitten in der Bergfalte, da wo die Haut
sich dunkler zeigte, lag lustvoll der rosa leuchtende See. Marcels Stift
verharrte in den Halbkreisen des Hinterns, und fuhr mit neuem Atem schnell in
geradem, glatten Strich zum Knie. Schwieriger fiel ihm auf der anderen Poseite,
die genaue Wiedergabe der Rundung, die Marcels Stift, von der oberen Mitte unter
die Unendlichkeit ihrer Jungfräulichkeit, zum Schambein führte. Unter diesem
enthüllte ein Spalt zwischen sportlichen Oberschenkel und vorgebeugten
Unterschenkel, der in einer letzten Rundung in Celines Ferse endete, ein Stück
ihrer Brust. Marcel malte betört was seine Augen sahen.
Seine Wonne war der anderen Missgunst. Seitlich von ihm betrachtete eine
rubenshafte Frau die Zartheit französischer Flanken, die Festigkeit der Beine
und die Schmalheit des der Schwerkraft trotzenden Bauches. Sie sah Celines
wunderbaren Körperbau und ohne an ihren eigenen zu denken, ähnelte das Bild der
kräftigen Malerin eher an den nahenden Tod, als an erblühende Schönheit. Im Bild
verriet sie ihr Unglück in harten Linien.
Die Italienerin vor Celine hingegen schätzte die Schönheit des bretonischen
Gesichts. Die Lippen malte sie etwas größer und verwandelte sie auf ihrem Bild
zu einem Kussmund. Celines Smaragden verlieh sie zwischen kräftig geschwungenen
Wimpern glanzvolles Leuchten. Die italienische Hand verewigte die Augenbrauen,
füllig und geradlinig gezupft, in tiefes Schwarz. Es war dasselbe, wie das der
Haare. Beim Jochbogen übertrieb die zweiunddreißigjährige. Sie fühlte in Celines
Gesicht mehr Erwachsenheit, als der junge Körper zeigte.
Die neben ihr sitzende Münchnerin trug sorgfältig Ölfarbe auf. Aus ihrer
seitlichen Position gewichtete sie Celines dralle Oberarme und das seitlich
hinab fallende, teils auf dem Rücken liegende Haar besonders. Celines Oberarme
zeugten von wachsender Kraft und Unentschlossenheit. Letztere zog das münchener
Mädchen aus ihrer eigenen Biografie, aber auch aus der Beobachtung fünf Jahre
älterer Frauen: Bei diesen wandelten Arme sich in Dürre oder Fülle, wusste sie.
Die Kraft des Wachstums verdeutlichte die Exilbayerin fokussiert in der Detail
verliebten Darstellung Celines gespreizter Finger. Keine Sehne, kein Muskel,
kein Pulsieren, der vier vorstrebenden Glieder und der nach hinten gestreckten
Daumen in fester Bodenhaftung, wurden vergessen. Auf der Leinwand der Münchnerin
schienen die Finger den Körper mit Gewalt aus seiner Position zu treiben. Trotz
des jungen Alters der meisten Künstler dieser Gruppe verfügten viele über Talent
und ausreichend Übung im Akt, so dass ihre Werke die Kraft hatten Celines
Schönheit zu wahren. Eine Berliner Hand sah Celines Profil. Ihr Blick richtete
sich auf die Nase, die anders als ihre eigene, klein und zierlich war. Fast eine
Stupsnase sah sie. Gerade, von der Nasenspitze ausgehend traf sie die Stirn und
gab den grünen Sternen festen Halt. Anders als die Italienerin, erfand die
Berlinerin keine zusätzliche Reife in Celines Gesicht. Es war unnötig, denn sie
sah Celines Schokoladenseite. Von Haaren befreit, die lagen ja auf der anderen
Seite, wurde das zarte kleine Ohr zum Hingucker. Homoerotische Gefühle erwachten
in der Berlinerin, und ließen sie kurz vom Anknabbern träumen. Das Ohr bog sich
leicht zum Gesicht und verschmolz dort in der Linie, die das Gesicht vom Hals
trennte, zum Kinn führte und sich dort hinab wandte, um den Hals entlang zu
wandern.
Eine andere Ewigkeit, als die, die Celines Abbilder währten, fühlte Sandros, als
er sich daran erinnerte, wann er das letzte Mal gegessen hatte. Giselle hatte
ihm seine Schlafstätte und die Waschküche gezeigt und dieses entsprechend
vermerkt. Außerdem hatte sie ihn auf das Mitgliederseminar hingewiesen: Dort
wurden Regeln und das Wesen des „Tor zum Herzen“ erklärt. „Jeden Tag um zehn und
dreizehn Uhr im Raum Eins.“, sagte sie zu ihm, versicherte sich, dass seine
Fragen beantwortet waren und verabschiedete sich „Auf später!“ Wohl wissend,
dass Begegnungen im „Tor zum Herzen“ immer wiederkehren. Sie ließ ihn allein am
Schrank mit der blauen Schildkröte.
„Endlich essen!“, tönte eine Fanfare in ihm. Er öffnete seinen Koffer und fand
zwei belegte Brote und Cola. Die Brote waren vom letzten Abend. Ihre Konsistenz
war denkwürdig. Weicher Salat, pappiger Käse und Schinken. Mit Schuldgefühlen
sah er sich um. Er wähnte sich allein in der vegetarischen Zone und biss
herzhaft in das salzige Aas. Durchaus war da eine Spur von Verwesung, nach der
er sich sehnte. Sein Essen. Sein Leben. Zwei Brote später fühlte er sich
wohler.
zum
achten Teil von Martin Teuschel Zum Seitenanfang | |
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