Geschichten:
Radio TAT:
Serie : (kannst Du auch einzelnd lesen!)
und dazu gibt es viele Bilder | Das Hochzeitskleid
Vom Landesinneren stieß der warme Wind auf das offene Meer. Unter hohen Klippen
bewegte er Wellen, deren Gischt der Mond und seine funkelnde Sternenwelt weiß
benetzten. Licht schuf Sicht auf Felsen, die das Meer bemalten.
Vor einem dieser Felsen ankerte das Boot zweier Liebender, die auf glattem Stein
ihr Lager gefunden hatten. Verliebt, verlobt und fast verheiratet. Sie
liebkosten einander, lebten jugendliche Gefühle und bestaunten sich im
Mondschein. Licht und Schatten verliehen ihren Gesichtern eine weiche,
geheimnisvolle Schönheit. Die Gewissheit um die baldige Vermählung wuchs mit
jedem Blick auf das Gegenüber. Neckisch waren ihre Küsse im verliebten Spiel.
Und doch schenkte ihnen diese Leichtigkeit die Tiefe des Geliebtseins. Himmlisch
ertönten Violinen. Als fremde Klänge verlauteten, erkannte die junge Frau: Die
Musik war real. In leidenschaftlicher Umarmung horchte sie auf. Unbeirrt
naschten seine Lippen weiter von ihrem Hals. Die Töne überragten das
Wellenschlagen und wandelten sich in quietschende Dissonanzen.
Verzerrte Laute stellten weibliche Haare auf. Das Mädchen versteinerte. „Hörst
Du das?“, fragte sie leise. Der angehende Bräutigam, von seiner Natur geleitet,
widerstrebte der Unterbrechung: „Was?“, fragte er zurück. „Die Musik…“ Jetzt
hörte auch er hin. „Ja, da ist etwas. Keine Musik. Eher Geräusche…“, dachte er
wortlos. „Was ist das?“, fragte sie unsicher und erwartete seine Antwort. Sie
blieb aus. Die Vertrautheit wich. Angst ersetzte sie. Die Geliebte sah sich um.
Vergeblich. Keine Strandparty. Kein Lagerfeuer. Der Mann sah das Licht. Das
weiße Glimmen. Den Schimmer über den Felsen. „Da oben.“, sagte er und zeigte mit
dem Finger: „Da oben ist Licht. Da ist bestimmt eine Party.“ „Mit der Musik? Die
klingt so… unheimlich…“ Er hatte eine Antwort: „… Freaks …“ - „Hexen! Das sind
bestimmt Hexen.“ Ihr Schluss verwirrte ihn: „Hexen? So was gibt es doch gar
nicht.“ - „Doch die gibt es.“, beharrte sie, „und die feiern … grausame Feste.“
Sie hatte davon gelesen. Geopferte Kinder und brutale Strafen für Verräter. Das
war kein Aberglaube. Das war Wirklichkeit. „Ich glaube, das ist nur eine
Party.“, beschwichtigte er. Doch sie hatte sich in Furcht verfangen. Ihre Augen
starrten zum Klippenrand, der in den Himmel ragte. Und dann passierte es. Sie
sahen es beide. Licht strahlte auf. Ein Geist erschien. Weiß mit großem
Schleier. Deutlich erkennbar. Die Geisterbraut. Der jungen Frau schnürte das
Herz. „Siehst Du sie? Sie sieht uns an.“ „Ja, ich sehe sie.“, sprach er mit
vereistem Blut. „Ein Geist“, flüsterte sie ungehört in die Brandung. Eine
schreckliche Ahnung keimte in ihr auf.
Wochen zuvor erwachte Nora glücklich. Spike hatte ihr sein Versprechen gegeben.
Endlich. Sie hatte schon lange darauf gewartet. Nora streckte sich. Sie drehte
sie sich nicht zum weiterschlafen um. Nein. Mit Schwung stand sie auf und
duschte.
Später stand sie gewaschen, frisiert, gekleidet und gesättigt mit Handtasche und
Knauf in den Händen im Treppenhaus. Ein lustvoller Knall schloss die Tür. Nora
floss in die Menschenmenge. Sie wollte ihr Hochzeitskleid finden. Wo wusste sie.
Oft hatte sie vor Brautmodengeschäften Träumen nachgehangen. Müller, Meier,
Janssen und einige andere ließ sie hinter sich bis sie ihres Vorhabens Haken
erkannte. Die Auswahl war groß: Brautkleider waren kurz, lang, berüscht, glatt,
weiß, violett, weit oder eng. Nicht ihr Geschmack hinderte sie, sondern das, was
die Kleider einte. Das Preisschild verursachte das Problem, das Brauteltern
geduldig trugen. Von ihren Eltern erwartete Nora Nichts. Auch nicht in dieser
Angelegenheit. Sie musste es selbst schaffen. Sie probierte alle Modelle, die
ihr gefielen. Dem Geldmangel trotzend lebte sie luxuriös im Zeitwohlstand.
Ihre Hand öffnete und schloss ungezählte Geschäftstüren. Sie trug Seide, genoss
weiches Streicheln auf ihrer Haut und staunte vor Spiegeln über ihre
unterschiedlichen Busengrößen. Schnitte entschieden über Größe oder
Unsichtbarkeit. Die Taille formte sich schlank oder durch gerefften Stoff weit.
Geschlossener Kragen, weites Dekollete, freier Rücken, kurze Ärmel, lange
Schleppe. Sie probierte alle. Sie steckte ihr blondes Haar hoch, öffnete es und
versteckte ihre runden Augen hinter weißem Tüll und kokettierte mit ihrem
Spiegelbild. Unschuldig, schüchtern, verführerisch, mit traurigem Gesicht oder
strahlendem Lachen zog sie die Ärmel hinunter oder lange Handschuhe hoch. Nach
zwei Wochen unermüdlicher Anproben verflog die anfängliche Begeisterung und
wandelte sich in ein festes Bild. Die Idee war geboren, ihre Vorstellung hatte
Kontur und Nora begann das Kleid zu zeichnen, das sie selbst fertigen wollte.
Den Entwurf brachte sie ins „Tor zum Herzen“. Dort waren ihre Pläne bekannt und
die <Ü>NähgruppeÜ> war bereit zu helfen: Bisher konnte Nora nicht einmal nähen. Jetzt
wollte sie es lernen. Die Anwesenden beurteilten den Entwurf und Noras Können
und kamen zu dem Schluss, dass die wöchentlichen Treffen nicht reichten. Betty
betrieb eine Boutique mit Schneiderei. Sie bot Nora ihre Werkstatt und Hilfe an.
Willy, Alex und Gertrud beschlossen Nora zu unterrichten und beim Nähen zu
helfen. Die Geburt des Projekts „Hochzeitskleid“ endete mit der Abstimmung eines
Zeitplans und Noras dankbaren Abschied. Erleichtert verließ sie das „Tor zum
Herzen“.
<Ü>Nähgruppe:
Ü>Diverse Gruppen bilden sich im Tor zum Herzen. Verweise:
Art der Gruppen: 1
2
Über Zusammenarbeit: 1
Kosten
Manche Gruppen bewirken auch
Änderungen |
Am nächsten Tag nahm Betty Noras Maße und erklärte ihr, wie ein Schnitt
gezeichnet wird. Auf der riesigen Arbeitsplatte zeichneten sie gemeinsam das
Kleid und nähten es stückweise zusammen. Die Zeit verflog und Nora verstand
immer besser mit Textilien umzugehen. Ununterbrochen ratterte die Nähmaschine.
Nähte wurden verschlossen und wieder getrennt. Knöpfe angenäht und gelöst.
Fachbegriffe des Handwerks dehnten ihr Wissen. Nora lernte schnell, besessen und
gönnte sich selten Pausen.
Mit dem Verrinnen der Tage erwachten in Nora im Verborgenen schlummernde
Ungeduld und Zweifel. Zeitweise vergaß sie ihr Glück im Stress. Manchmal neigte
sie zu wütenden Attacken. Gegen sich Selbst und schlimmer: Gegen ihre Helfer.
Die <Ü>FreundeÜ> verstanden sie, doch Noras zunehmende Aggressivität belastete alle.
Es ging nicht nur um das Kleid. Nein, die Veranstaltung, die ihr Leben ändern
sollte, bedrückte sie zunehmend.
<Ü>FreundeÜ> sind wesentlich im Tor zum Herzen. Mitglieder
wagen sich lockere Bekanntschaften und gute Freunde gleich zu nennen.
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An einem verregneten Mittwoch fielen Regentropfen vom Baum, der im Hinterhof bei
Sonne Schatten spendete. Das Telefon klingelte. Betty nahm ab und brachte Nora
die Nachricht: „Alex kommt heute nicht. Es geht ihr nicht so gut.“ Nora hatte
das befürchtet. Gestern hatte sie sich mit Alex gestritten. Laut. Ungerecht.
Wütend. Noras Hände verkrampften. Sie sackte zusammen. Tränen brachen aus. Betty
sah die dunkle Gemütswolke. Sie legte ihre Hand auf Noras Schulter und beugte
sich zu ihr. Brennendes Augensalz und gelöster Nasenschleim mischten sich mit
Speichel in schmerzverzerrter Grimasse. „Was ist los?“, fragte Betty mitfühlend.
„Ich kann das nicht. Ich schaff das nicht. Ist alles zuviel. Das Kleid. Nähen
lernen. Die Organisation.“ - „ Vielleicht brauchst du mehr Hilfe…“ Nora hörte
nicht hin. Neue Tränen verschlossen ihr Gehör. Betty setzte sich neben sie. Nahm
Noras Kopf an ihre Brust. Streichelte ihr Haar. Weich schmiegte es sich durch
die Finger. Minuten verstrichen. Nur unterbrochen von beruhigenden Worten und
lautem Schluchzen. Gefühlssterne explodierten unter den Häuten. Tief im Inneren
strahlten sie zur Oberfläche und wurden Bewusstsein. Kälte wurde zu Wärme.
Mütterliches zu Verlangen. Beide Frauen spürten Eins. Noras Ohr verschmolz in
Bettys Herzschlag. Das Klopfen wurde Noras Rhythmus. Sie blickte auf. Bettys
Hand rutschte in ihren Nacken. Die Augen verstanden den Zauber. Blaues und
grünes Funkeln versuchten sich. Die Blauen, gewässert und ohne Widerstand,
näherten sich den unendlich nahen Grünen. Gerüche vertrieben Gedanken und
befreiten ursprüngliche Instinkte. Die Gesichter verloren Distanz. Lippen
begrüßten sich. Rotes Gefühl berauschte die Sinne, deren Hände das Gegenüber die
Mode raubte. Viel später, es war schon abends, kehrten den Nackten die Gedanken
zurück. Frei von Angst und Schuld. Nora fühlte die neue Kraft.
Nora war aufgeregt. Es war so weit. Der große Tag. Sie legte das Hochzeitskleid
auf den Boden und stieg hinein. Beide Hände zogen es hinauf. Kratzig legte sich
der steife Unterrock an ihre Beine. Geschmeidige Schlangenbewegungen
ermöglichten dem auf Taille geschnitten Kleid ihre Hüften, ohne Nähten zu
schaden, zu passieren. Fest saß das Unterteil auf ihren Hüften. Gewandt
schlüpfte sie in die Ärmel, während Betty ihr von hinten half, dass Kleid auf
die Schultern zu legen und den hochgeschlossen Rücken bis zum Haaransatz zu
verschließen. Die beiden sahen in den Spiegel. „Wirklich altmodisch!“, lachte
Betty über die Rüschen und den großen Schleier. Nora lächelte zustimmend. Doch
ihr war unwohl. Der große Moment. Das Lampenfieber begann. Die Hände schwitzten
unter den Handschuhen. Ihr Herz klopfte laut. Sie sah durch den Vorhang. Spike
war da. Mit Fliege und Smoking. Ungesehen schlich sie zu ihrem Platz in
die Dunkelheit und stellte sich auf die Klippe. Ihren Blick wandte sie zum Meer.
Der Wind umwehte ihren Schleier. Das Kleid flatterte. Leise ertönte die Violine.
Der Vorhang öffnete sich. Weiß leuchtete Nora im Scheinwerferlicht. Schrill
kreischten Töne aus Lautsprechern. Nora atmete durch. Sie hatte es fast
geschafft. Ihre erste Inszenierung. Ihr <Ü>StückÜ>. Ihre Choreographie. Ihre Planung.
Jetzt ihr Können. Sie rührte sich nicht. Jeder Muskel war gespannt.. Eintausendundvier
Augen beobachteten sie. Und sie begann zu tanzen.
von Martin Teuschel
<Ü>Stück:Ü> Mitglieder unterstützen und inszenieren kulturelle
Projekte. 1
2 |
von Martin Teuschel Zum Seitenanfang | |
Deine kleine Schnuppertour- Im Projekt Freiraum kann geduscht werden. Eine Dusche ist abgebildet.
- Abbildung: Sauberkeit in Bad und WC. Ein Desinfektionsspender für die Toilette zum einfachen Gebrauch.
- Glaube, Liebe, Hoffnung: Christliche Werte mit Tusche gezeichnet.
- Sandra meint: "Was du hier schreibst ist Kitsch. Manchmal wünschte ich[..] eine Internetprüfung!" Was meinen andere?
- Streetart zum Berliner Straßenkunstfestival Berlin-Lacht 2007 mit der Kurzgeschichte Straßenkunst
- Berlin: Superstar Boxi spielt mit Styropor Stadtbau. Und baut dabei reichlich Tower
- Comic :Umzug in Berlin. Freunde helfen. Professionell ist das selten. Dafür gibts Renovierungstipps.
- Ein Projekt das Gesundheit, soziale und informelle Gerechtigkeit, religiöse Toleranz und Integration fördern und fordern will, kann zur Verwirklichung seiner Ziele Grundregeln definieren.
- Kurzgeschichte: An der orientalischen Bühne beim Karneval der Kulturen gab es wieder ein tolle Show.
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