Unkommerzielle Arbeiten von John-Martin Teuschel (JOMT) bis 2010

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www.berlinerplakate.de: Sandros Ankunft von Martin Teuschel

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Scheinwerfer entflohen der Schattenwelt und drängten sich zum roten Ball, der die Stadt wach küsste. Sandros konnte es kaum fassen. Er saß in diesem Zug und vor ihm lag Berlin. Sein Geist erwachte, seine Augen verglichen Erinnerungen von Bildern mit den vorüber ziehenden Silhouetten der Großstadt. Er war da. Endlich. Seine Reise hatte vier Tage gedauert. Wirre Tarife hatten ihn auf eine seltsame Strasse durch Europa geführt. Eine direkte Verbindung verbot sein Geldbeutel.  Jetzt war er da.  In der sonderbaren Stadt, gab es ein Hotel, indem er umsonst übernachten konnte. Gewiss, er war zu kleinen Arbeiten verpflichtet, doch diese waren bedeutsam für das Gemeinschaftsgefühl. Es war mehr als ein Tausch von Arbeit gegen Übernachtung.

 Pedros hatte  ihm das Tor zum Herzen  empfohlen: "Es ist kostenlos und sauber. Du musst etwas arbeiten, doch nichts schlimmes oder schweres. Ich musste damals immer Wäsche waschen. Ach ja, Fleisch, Fisch und Drogen sind dort verboten. Keine Ahnung, warum die diese drei Dinge verbieten. Ich habe den Zusammenhang nie verstanden." Sandros war entsetzt: 

"Wie Fleisch ist da verboten?" - "Ja, wirklich" - "Das gibt's doch nicht. Die sind doch verrückt." - "Auf jeden Fall ganz schön schräg." - "Kein Fleisch. Du machst Witze." Pedros grinste: "Nee, wirklich. Wirst schon sehen." Sandros mochte es nicht glauben. "Kann man ohne Fleisch leben?" Das war ihm unvorstellbar und schien sinnlos. Er hatte in seinem Leben weder das Wort Vegetarier gehört, noch gewusst, das es solche gibt. Sandros fragte noch einmal: "Und Huhn?" - "Das ist für die auch Fleisch." - "Die sind verrückt." - "Und Du hast eine Woche kein Fleisch gegessen?" - "Doch natürlich ..." Pedros machte eine Pause. "Döner und Currywurst...", Pedros Sinne gerieten ins Schwärmen: "Döner, da gibt es eine nette Ecke. Es ist das reinste Bermudadreieck. Am schlesischen Tor. Da musst Du hingehen. Ein Imbiss nach dem anderen. Du stirbst dort mit fettem Bauch. Grandios." - "Echt?" - "Natürlich, würde ich Dich anlügen?", entrüstete sich  Pedros und versicherte: "Sandros, es ist das Paradies." Der Reisende sah über die erwachende Stadt, der Zug fuhr langsam und ließ ihm Zeit. Er genoss es. Er musste sich nicht beeilen, seine Sachen zu suchen. Er fuhr bis zur Endstation. Seine Nase klebte am Fenster, vor seinen Augen zog Berlin vorbei und seine Neugier auf das "Tor zum Herzen" wuchs. Er erinnerte sich wieder an das Gespräch mit Pedros. 
"Als Du aus Berlin kamst, hattest Du mir erzählt: "Das Hotel war nicht nur Hotel" Wie meintest Du das?"

Pedros ging an seinen Schrank  öffnete ihn und nahm eine braune, alte Holzkiste heraus. Er stellte sie auf den Tisch und öffnete sie. In ihr waren viele Briefumschläge, er suchte schnell und nahm den auf dem "Berlin 2050" stand.  "Das war vor zwei Jahren , es wird sich vieles geändert haben.“, sagte Pedros. Während die beiden die Bilder ansahen, fügte Pedros hinzu: “Dort gab es viele interessante Menschen aus Berlin und aller Welt. Als Gäste und Mitarbeiter. Es gab auch ein Kino und Seminare, meistens allerdings auf deutsch. Ach ja, das komischste war: Alle trugen die gleiche Kleidung.  Die musste man beim Eintritt immer wechseln." - "Auch, wenn Du kurz hinaus gingst, zum Rauchen beispielsweise?" - "Nein, nur einmal am Tag. Sie sagten damals, das sie dadurch Sauberkeit erhalten und soziale Ungleichheit mindern wollten."
"Einheitskleidung. Klingt nach Sekte... ist das eine religiöse Sache? Auf so was habe ich nämlich gar keine Lust…" - "Nee, religiös war das eigentlich nicht, obwohl ... : Es gab da einen Gebetsraum. Dort war immer ein Pfarrer, oder so."

"Oder so?" "Na ja, einmal ein Pfarrer, einmal ein Guru, dann ein Schamane, die wechselten sich ab. Einer war immer da, doch immer von einer anderen Religion. Du konntest Du dort beten oder mit einem Geistlichen sprechen, Beistand erhalten oder einfach nur etwas über seine Religion erfahren.
Ich hatte so ein bisschen mit denen gequatscht. Ich hatte nicht das Gefühl, das die mir was aufdrängen wollten. Das war eher multireligiös." -" Aber schon religiös, nicht wahr? Da habe ich wirklich keine Lust drauf.", fand Sandros. "Ist doch umsonst, probier es einfach. Wir kennen uns doch seit Jahren. Und atheistischere und unspirituellere Menschen als mich gibt es nicht.", beruhigte Pedros seinen Freund. Pedros hatte der Versuch religiöses und unreligiöses nebeneinander zu dulden und zu respektieren beeindruckt.
"Weißt Du, die hatten  sogar einen Meditationsraum für unreligiöse: War als Alternative gedacht. Konnte ich aber auch nichts mit anfangen. Andere schon. Aber es gab keinen Versuch mich zum meditieren oder beten zu bewegen. Das ich daran kein Interesse hatte, war okay für die anderen.", fügte Pedros hinzu. "Seltsam, warum macht das jemand? Alles umsonst und so seltsame Vorschriften..." - "Damit die Gäste lernen ihr Herz zu öffnen." - "Das Herz öffnen lernen? Ich habe doch Herz, viel Herz!" - "Du bist Spanier. Vielleicht wollen die nordischen Menschen ja von uns lernen. Die haben ihr Herz, ihre Vernunft im Kopf." Pedros sah seinen Freund an. "Mmh, das stimmt wohl.", hatte Sandros die Theorie bestätigt. Und er hatte dem noch hinzugefügt: "Ich glaube es ist auch ein Versuch Utopie in die Wirklichkeit zu bringen. Einerseits sehr geregelt, andererseits  sehr offen. Sieh es Dir an. Es ist spannend. Weil es neu ist und es macht Spaß. Ich habe doch auch nicht alles verstanden, ich kann doch kein deutsch."

Sandros wurde überzeugt. Es war leicht. Sandros hatte ja Interesse bekundet. Außerdem kannte er Pedros von klein auf. Ihre Freundschaft gab es seit Sandros sich erinnern konnte. Pedros würde ihn nie in Gefahr bringen. Und wenn, dann waren sie immer zusammen gewesen. Nie alleine. Wie damals auf den Cliffs. Fast wären sie abgestürzt. Das war aber eine andere Geschichte. Aber in einem Punkt musste Pedros Sandros belogen haben. Wo gab es Menschen, die kein Fleisch essen. Seltsam, fand der Madrider. Als er sein Bett im Internet reservierte, fand er die Worte bestätigt. "Nun ja…"
Trotzdem reservierte er. Ihm blieb nichts anderes übrig. Deutschland war sehr teuer. Zu teuer.
So würde sein Urlaub deutlich entspannter sein. "Sogar Döner wären drin", hoffte er und freute sich, dass er bald  Berlin sehen würde. Urlaub in Deutschland. Vincenze und Pedros hatte es dort gefallen. Dann würde es ihm auch gefallen. Dessen war er sich sicher.

Die Schattenwelt war vollends dem Morgen gewichen, als er den Ostbahnhof erreichte. Dort herrschte organisiertes Chaos. Lautsprecheransagen dröhnten unverständliches deutsch, doch die Menschen waren ruhig.

Er wurde Teil einer geordneten Menge. Schnell fand er den Bus. Als er einstieg, verglich er noch einmal seine Nummer mit der Karte aus dem Internet. Im Bus gab es eine Karte mit Straßennamen, trotzdem bat er den Busfahrer um Hilfe. Vergeblich: Der sprach kein Englisch, der Spanier kein Deutsch. Er zeigte die Adresse, der Fahrer sagte irgendetwas. Sandros nahm an, er bekäme Hilfe. "Danke", brachte er mühsam hervor. Sein erstes deutsches gesprochenes Wort. Trotzdem verglich er die Namen der Stationen mit denen der Karte. Pedros hatte ihn zuvor vor der Unberechenbarkeit Berliner Busfahrer gewarnt. In diesem Fall zu Unrecht. Durch den Lautsprecher kam etwas das Sandros nicht verstand, der Fahrer stand auf und gestikulierte mit den Armen. Das musste dem Reisenden gelten.

Sandros bedankte sich und stieg aus. Er stand auf einer Strasse mit vielen kleinen Geschäften. Nummer Einhundertzweiundvierzig. Einhundertdreiundvierzig. Einhundertvierundvierzig. Es dauerte nur ein paar Minuten , bis er das bronzene, schwere Tor fand: Das Tor zum Herzen.
Ein großer Knopf war von einem gemalten Spinnennetz eingekreist. Auf den Linien stand in vielen Sprachen: "Klingel". Unfehlbar.  

Er legte seinen Finger drauf, und drückte den Knopf.

Ein Licht ging an.

 

 

Hier gehts zum zweiten Teil dieser Geschichte.Hier geht die Geschichte weiter

von Martin Teuschel

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Deine kleine Schnuppertour
  • Im Projekt Freiraum kann geduscht werden. Eine Dusche ist abgebildet.
  • Abbildung: Sauberkeit in Bad und WC. Ein Desinfektionsspender für die Toilette zum einfachen Gebrauch.
  • Böse Blumen: Ein Geschichtensammlung im PDF - Format
  • Glaube, Liebe, Hoffnung: Christliche Werte mit Tusche gezeichnet.
  • Sandra meint: "Was du hier schreibst ist Kitsch. Manchmal wünschte ich[..] eine Internetprüfung!" Was meinen andere?
  • Streetart zum Berliner Straßenkunstfestival Berlin-Lacht 2007 mit der Kurzgeschichte Straßenkunst
  • Berlin: Superstar Boxi spielt mit Styropor Stadtbau. Und baut dabei reichlich Tower 
  • Comic :Umzug in Berlin. Freunde helfen. Professionell ist das selten. Dafür gibts Renovierungstipps.
  • Ein Projekt das Gesundheit, soziale und informelle Gerechtigkeit, religiöse Toleranz und Integration fördern und fordern will, kann zur Verwirklichung seiner Ziele Grundregeln definieren.
  • Kurzgeschichte: An der orientalischen Bühne beim Karneval der Kulturen gab es wieder ein tolle Show.